
Remember, remember…
Ende November häufen sich aus irgendwelchen Gründen bei mir immer die Jubiläen. Nicht nur, dass ich selbst am 25. November geboren wurde, auch in punkto meiner allgemeinen Produktivität wirkt der Herbst auf mich irgendwie katalytisch.
Vor heute genau fünfzehn Jahren, am 22. November 2005, habe ich meinen ersten “echten” Podcast veröffentlicht, dessen Form und Gestalt mit dem, was ich heute mache, bestensfalls ansatzweise etwas zu tun hat. Trotzdem war es ein wichtiger Wendepunkt. Nahezu alles, was es dazu zu sagen gab, habe ich bereits vor fünf Jahren zum 10-jährigen Jubiläum aufgeschrieben und in der Hinsicht hoffe ich mich hier nicht zu wiederholen.
Mikrofonliebe
Am 29. November 1995 – also vor 25 Jahren vorher – habe ich mit Johnny Haeusler, Andy Müller-Maguhn, Frank Rieger und Andreas “Steini” Steinhauser die erste Folge Chaosradio bei Fritz! gemacht. Leider gibt es davon keine Aufzeichnung, das Thema war einfach “Der Chaos Computer Club”. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie sehr mich dieser Moment prägen würde, denn dort entstand sofort diese innige Liebe zum Mikrofon, die mich bis heute nicht verlassen hat.
Bei Chaosradio ging es immer sehr locker zu. Das “Radio”, was wir damals gemacht haben, war eigentlich bereits ein Podcast, wir wussten es nur noch nicht und der Name sollte sich erst Jahre später im Netz durchsetzen. Aber egal, ich fühle es eben so.
Gefühlt mache ich also das, was ich mache, bereits seit einem Vierteljahrhundert. Der Ansatz, “meine eigene ARD” zu sein, wurde dann zehn Jahre später geboren. Und jetzt sitze ich hier und spüre interessanterweise seit meinem letzten “runden Geburtstag” vor fünf Jahren wenig Veränderung im Gefühl. Da ich sonst eigentlich immer alle sieben Jahre meine Aufmerksamkeit in andere Richtungen gelenkt habe, zeugt das doch schon von einer ziemlichen Beständigkeit. Sieht also so aus, als ob ich das noch eine Weile weiter verfolgen werde.
Was so passiert ist…
Was ist konkret in den letzten fünf Jahren seit meinem letzten Resümée passiert? Gar nicht so wenig.
Raumzeit
Vor genau 5 Jahren habe ich Raumzeit in eine neue Phase überführt. Ursprünglich gemeinsam mit ESA und DLR gestartet lief die Förderung für das Projekt aus und ich habe es komplett übernommen. Zu Beginn lief es noch etwas rumpelig an, aber seitdem ich mit Karl Urban von den Weltraumreportern einen hervorragenden Redakteur gefunden habe sprudelt es wird wie zu Beginn. Mir macht das Format immer noch großen Spaß, denn der Weltraum wird einfach nie langweilig
Zwischenzeitlich kam Raumzeit auch auf die Bühne. Das wollte ich eigentlich weiter ausbauen und ich hatte auch darüberhinaus ein paar interessante Ideen, aber die Pandemie hat diesen Plänen nachvollziehbarerweise erst mal einen Dämpfer verpasst. Aber ich versuche, hier fröhlich weiter zu produzieren, aber ich haue so viel raus wie irgendwie möglich.
Forschergeist
Der Forschergeist war vor fünf Jahren bereits ein Jahr alt und ein paar der besten Folgen sollten erst noch kommen. Seitdem ist mir das Projekt allerdings sehr ans Herz gewachsen und die Zusammenarbeit mit dem Stifterverband ist wirklich ausgesprochen gut. Dort hat man schon vor sechs Jahren gecheckt, welche Kraft Podcasts entwickeln können. Und wenn sogar der Bundespräsident einzelne Episoden des Podcasts lobend herausstellt, dann kann nicht alles falsch gewesen sein, was wir da gemeinsam hinbekommen haben :)
War am Anfang noch nicht ganz klar, was das Profil vom Forschergeist sein würde, hat sich das langsam eingespielt in eine recht gut ausgewogene Mischung aus Themen rund um Bildung, Digitalisierung und individueller Forschung. Meta wechselt sich mit Praxis ab und es ist ein Privileg, mit so viel klugen Menschen zusammenkommen zu können. Das von CRE geborgte Format funktioniert hier genauso gut wie bei Raumzeit und bietet immer wieder Überraschungen – für mich wie für meine Hörerinnen.
Logbuch:Netzpolitik
Bemerkenswert standhaft war die Zusammenarbeit mit Linus an Logbuch:Netzpolitik und den Podcast umgibt mittlerweile eine bemerkenswerte, aufmerksame und motivierende Community. Seit neun Jahren sind wir nun auf Sendung und würde man alle Sendungen seitdem am Stück nachhören wollen wäre man 23 Tage rund um die Uhr damit beschäftigt.
Mit nur wenigen Ausnahmen geht LNP jede Woche an den Start und es ist nicht zu unterschätzen, wie viel Aufmerksamkeit so ein Format letztlich in der Summe erhält. Eine gut vorbereitete, normal laufende Sendung frisst immer einen halben Tag, wenn es etwas ausführlicher wird, wenn man Gäste hat oder schlicht während der Aufnahme irgendwelche kleineren oder größeren Katastrophen passieren ist der Tag schnell mal komplett konsumiert. Dazu gehört, in den anderen Tagen der Woche immer irgendwie dem Newsflow und der allgemeinen Debatte zu folgen, was einen oft auch ziemlich auffrisst. So oder so, zu zweit mit einer eingespielten Verteilung (Linus macht mehr Content, ich mehr Produktion) geht es irgendwie immer gut.
UKW
Mit UKW gibt es auch ein ganz neues Format, das bestimmte Themen längerfristig begleiten soll. Das gelang schon ganz gut mit dem Brexit, in diesem Jahr ist es natürlich Corona gewesen. Ich hoffe, hier noch ein wenig breiter agieren zu können, aber jetzt ist es erst mal so wie es ist.
Die Idee für UKW entstand aus der Situation heraus, dass alle anderen Podcasts thematisch recht festgelegt waren und wenig Spielraum für Varianz boten. Gut, das gilt nicht für CRE, aber ich empfand auch die eingespielte Interviewsituation schon zu einschränkend und wollte einen Kanal haben, in dem ich jederzeit das Format auch ändern oder abweichen lassen konnte. Sprich: so wie es jetzt ist muss es nicht bleiben, aber die Grundidee, aktuelle Geschehnisse in der Welt in einem regelmäßigen Abstand zu begleiten, wird wohl Bestand haben. Oder auch nicht. Man wird es sehen :)
Freak Show
Die Freak Show war beständig, allerdings ist das Team auf gut 8 Personen angewachsen und so hat sich zunehmend ein Bäumchen-wechseln-Dich-Spiel ergeben mit permanent permutierten Besetzungen. So hat sich das Format auch inhaltlich breiter aufstellt. Natürlich müssen wir von Zeit zu Zeit auch über Macs reden, aber der alte Focus (das ganze ist ja wirklich mal als ein Podcast zu Apple entstanden) hat sich deutlich verändert.
Also reden wir als Nerds über Nerdthings und wie wir so mit der technischen Entwicklung so mithalten und was die Moderne so mit uns anstellt. Nachdem über viele Jahre David uns mit großartigen Previouslys beschenkt hat ist in den letzten Jahren Rainer eingesprungen hat seitdem so einige Juwelen zu der Tradition beigetragen. Vielen Dank für Deinen Einsatz Rainer, das Previously ist aus der Freak Show so recht nicht wegzudenken.
Und wann war da noch…
Ein wenig auf der Strecke geblieben ist Not Safe For Work. Das Format war wirklich witzig und ich denke in vielerlei Hinsicht auch wegweisend. Aber es hat auch eine Menge Kraft gekostet und gefühlt hatten Holgi und ich irgendwann unsere Geschichten und Ansichten ausreichend oft ausgetauscht und wollten uns selbst auch nicht in einer Endlosschleife wiederfinden. 99 Sendungen sind dabei herausgekommen. Dabei darf es natürlich nicht bleiben. Wenn die Einschränkungen der Coronazeit vollständig ihr Ende gefunden haben, möchte ich mit Holgi die 100. Ausgabe mit so vielen von Euch wie möglich gemeinsam feiern. Wann das sein wird steht derzeit natürlich noch in den Sternen. Und der alte Sack muss natürlich auch noch zustimmen.
Newz of the World, das Format in dem auch dem letzten klar wird, dass ich nie ein Native English Speaker war, hatte auch eine Pause eingelegt. Wöchentlich war das nicht zu halten und irgendwie ging die Sendung in der Belastung der anderen Formate unter. Zur US-Wahl habe ich aber wieder das regelmäßige Gespräch mit Bicyclemark gesucht, nicht zuletzt, weil er so ein angenehmer Zeitgenosse ist und mit Witz und Freude das internationale Geschehen begleitet. Mal sehen, wie es da weitergehen wird.
Und ja CRE, ich weiß. Ich bleibe dabei, dass CRE das erste und letzte Format ist, was ich machen werden, aber derzeit leider die Sendefrequenz schlicht darunter, dass ich so viele andere Dinge regelmäßig mache und das von mir so geliebte Interviewformat vor allem beständig in Raumzeit und Forschergeist fließt. Aber jedes Thema, was ich machen möchte, und dass nicht in eines der andern Formate gehört, wird in CRE landen.
You and me
Als ich vor 15 Jahren anfing zu podcasten hatte ich noch gar keine Pläne. Als ich beschloss meine Zeit nur noch dem Podcasting zu widmen war mir nicht klar, was hier das Geschäftsmodell sein sollte und könnte. Aber früh wurde klar, dass ein Community Support Modell möglich sein könnte. Auf der frühen Unterstützung mancher entwickelte es sich langsam in Richtung totale Unabhängigkeit.
Die Welt hat mittlerweile nachgezogen. Plattformen für die finanzielle Unterstützung einzelner Medienschaffender sind auf breiter Front hochgezogen worden und dass die Leser, Zuschauer und Zuhörer von Text-, Bild- und Tonformaten dazu beitragen, dass einzelne oder kleine Gruppen auch ohne Werbung arbeiten können, wird zunehmend normal wenn nicht sogar selbstverständlich. Als ich damals mit der Metaebene voranschritt wunderten sich alle noch. So ändern sich die Zeiten. Aber mich freut der Trend.
Ich bin recht froh, dass ich mich irgendwie immer auf mein Gefühl verlassen konnte und dementsprechend gehandelt habe. Als ich meinem Umfeld vor 15 Jahren erzählte, dass ich einen “Podcast” aufgenommen habe, schauten mich alle noch an als hätte ich akuten Medikamentenbedarf und auch meine Einschätzung, dass man sich doch auch mit einer Community grundfinanzieren können müsste, wurde gemeinhin mit einem etwas mitleidigen Gesicht kommentiert, so als hätte man gerade in eine Grapefruit gebissen.
An dieser Stelle an großes Dankeschön an alle, die diesen Weg mit mir gegangen sind und bereit waren, mich finanziell oder auf eine andere Art und Weise zu unterstützen (diejenigen, die mich via Dauerauftrag unterstützen, möchten bitte auch meinen letzten Blogpost zur Kenntnis nehmen, da sich mein Spendenkonto geändert hat).
Ich empfinde diese Situation als großes Privileg und weiß das entsprechend zu schätzen. Und wenn nicht irgendein großes Unglück passiert werde ich auch weiterhin versuchen, ein Programm für meine Community zu machen, ein Programm, dass sich nicht an irgendeinem gefühlten Mainstream und Trends entlang hangelt. Feedback auf Twitter, in den Kommentaren, in der Metaebene Community und per Mail nehme ich immer zur Kenntnis (auch wenn ich nicht immer drauf reagieren kann) und mache mir so meine Gedanken.
Und jenseits von Podcasts? Wie schon erwähnt, ich sehe die Podcasts als den Kern meiner Tätigkeit, will mich aber auch nicht dogmatisch drauf beschränken. Videoformate werden wir oft nahegelegt, üben aber wenig Reiz auf mich aus. Ich denke nicht, dass ich da meine Stärken ausspielen kann und würde lieber mehr unterwegs und auf Bühnen machen. Nach der Coronazeit werden wir alle wieder sehr viel Experimentierbereitschaft habe denke ich und da schließe ich mich mit ein.
Vielen Dank für Eure Begleitung in all der Zeit.
Gruss
Tim